Geschrieben am: 5. Oktober 2022 | Zuletzt aktualisiert: 28. Januar 2023 | Lesezeit: ca. 7 Min.

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TikTok produziert Negativ-Schlagzeilen ohne Ende, trotzdem hält das Nutzerwachstum ununterbrochen an. Etwa eine Milliarde Menschen nutzen die TikTok App weltweit. Bei ca. 100. Millionen Usern in Europa. Auch in Deutschland erfreut sich der Dienst einer großen Beliebtheit: ca. die Hälfte der 12- bis 19-jährigen nutzen TikTok regelmäßig (Quelle).
Die Frage, warum TikTok in manchen Zielgruppen mittlerweile beliebter ist als Google, lässt uns aber einiges darüber lernen, wohin sich Google entwickeln könnte.
Wird TikTok demnächst Google als die beliebteste Suchmaschine ablösen?
Das Thema wird kontrovers diskutiert. Das SEO-Portal MOZ kommt in seinem Artikel “Is TikTok Going to Replace Google?” zum Fazit “Short answer: no.” Mit der Begründung, dass TikTok ausschließlich Video Content anbietet und deshalb nicht so breite User Intentionen ansprechen kann wie Google.
Für Inhalte, bei denen TikTok eine gute Experience liefern kann, zeigt aber das Suchvolumen in der Google Suche eine starke Nachfrage nach Inhalten bei TikTok:

Google Suchvolumen für “Rezepte” bei TikTok

Google Suchvolumen für “Pasta” bei Google
Darüber hinaus nimmt die interne Suche von TikTok eine immer wichtigere Rolle in der App ein.
Wie TikTok seine Suche pusht
Häufig steht bei TikTok der Algorithmus im Fokus, der in der Lage ist extrem passende Videos auszuspielen und die App so zu einem Rabbit Hole macht, in dem die User Stunden verbringen können.
Doch auch die interne Suche von TikTok ist nicht zu unterschätzen und wird in der App mehr und mehr in den Vordergrund gestellt:
Tiktok is pushing their search function HARD.
Now if you mention a topic keyword in the comments Tiktok adds a link to search for that keyword. pic.twitter.com/ekVNsIQfJF— Lidia Infante (@LidiaInfanteM) September 21, 2022
Die häufige Nutzung der TikTok-Suche geht auch am Platzhirschen Google nicht spurlos vorbei:
In einem Artikel der New York Times wird ein Googles Senior Vide President Prabhakar Raghavan folgendermaßen zitiert:
“In our studies, something like almost 40 percent of young people, when they’re looking for a place for lunch, they don’t go to Google Maps or Search. They go to TikTok or Instagram.”
Eine solche Aussage kann natürlich auch den Zweck haben, den Wettbewerbsbehörden zu demonstrieren, dass im Suchmaschinenmarkt mehr Konkurrenz herrscht als angenommen. Nehmen wir aber mal an, die Zahlen stimmen und gehen der Frage nach dem „Warum“ auf den Grund.
Auch hier liefert der Artikel der NYT spannende Einblicke: Die Ergebnisse seien “einfacher zu verstehen als eine Google Suche oder ein YouTube Video” werden TikTok User zitiert. Tatsächlich sind viele Content Creator auf TikTok extrem gut darin, Inhalte schnell, verständlich und anschaulich zu vermitteln.
Schnell verfügbare und konsumierbare Inhalte
Im Gegensatz zu YouTube muss auch keine Werbung vorab konsumiert werden, was den Content schnell verfügbar macht. Während für gutes SEO lange Zeit ein “hollistischer” Ansatz mit möglichst langen Artikeln gezählt hat, ist bei der Generation TikTok die schnelle Konsumierbarkeit von Inhalten ein wichtiger Faktor.
Learning 1: bringe deine Informationen auf den Punkt
Kurze Inhalte werden immer beliebter, auch wenn es um SEO geht:
In general, do you prefer reading content about SEO that is quick to read (< 5 mins) or long-form content (> 5 mins)?
— Brodie Clark (@brodieseo) August 31, 2022
Der Mythos von einer Mindestlänge, die ein Text haben muss, ist schon lange widerlegt. Google geht sogar mehrere Schritte weiter:
- Google testet ein Quick Read-Label für kurze Inhalte (Stand: August 2022)
- Die Mindestwortanzahl von 80 Wörtern, um in Google News zu erscheinen, gilt nicht mehr
Verliere dich also nicht in Details, sondern bringe die Informationen auf den Punkt. Und denke darüber nach, ob ein Text wirklich das beste Content-Format für deine Inhalte ist.
Authentizität und Glaubwürdigkeit
Ein weiterer Faktor ist, dass TikTok ein sehr persönliches Netzwerk ist. Die Content Creator sind als Menschen sichtbar, das sorgt für Authentizität und Glaubwürdigkeit. Ob diese immer gerechtfertigt ist, steht auf einem anderen Blatt, so wurde TikTok dabei erwischt bei 20% der Videos, die von der Suchmaschine der App gefunden wurden Falschinfomationen zu verbreiten.
@iouran_iouran Trik 17 #laufschuhe ♬ Paris – Else
Dennoch: Ein Mensch, der in eine Kamera spricht und mir dabei zeigt, wie Laufschuhe richtig gebunden werden (siehe Video oben), wirkt authentischer auf uns als ein anonymer Text auf einer Website. Mit dem E-A-T-Konzept versucht Google Webseitenbetreiber zu ermuntern, mehr aus der Anonymität herauszutreten.
Boxen mit Autoreninformationen werden dadurch auf immer mehr Webseiten sichtbar.
Ebenfalls auf das Thema Glaubwürdigkeit zahlt ein, dass TikToker ihren Content vor Ort Produzieren. Möchte ich die Top Sehenswürdigkeiten von Porto sehen, kann ich mich darauf verlassen, dass der Content vor Ort produziert wurde und die Eindrücke authentisch sind:
@jesusypatino Save for your next trip to Porto 🇵🇹 #porto #traveltok #traveltips ♬ FEEL THE GROOVE – Queens Road, Fabian Graetz
An diesem Punkt setzt auch das Helpful Content Update an. Laut Google sollen sich Webmaster (unter anderem) folgende Frage bei der Erstellung von Inhalten stellen:
Sind eure Inhalte klar als fundiertes Wissen aus erster Hand erkennbar (z. B. Wissen infolge der Verwendung eines Produkts oder Dienstes oder infolge des Besuchs eines Orts)?
Learning 2: Trete aus der Anonymität
Zeige auf deiner Website, wer für die Inhalte verantwortlich ist und warum diese Person dafür qualifiziert ist. Mache diese Informationen deutlich sichtbar.
Wenn du über Produkte oder Orte berichtest, verwende selbst erstelltes Bild- und Videomaterial, damit deine User sicher sein können, dass der Inhalt authentisch ist.

Die TikToker im Bild zu sehen, erzeugt Vertrauen. Ebenso wie die Engagement-Metriken.
Feedback sorgt für Vertrauen
TikTok zeigt für jedes Video an, wie viele Menschen es gesehen, kommentiert und gelikt haben. Damit wird dem Prinzip der sozialen Bewährtheit Rechnung getragen. Dieses besagt, dass wir Menschen uns immer am Verhalten anderer Menschen orientieren.
Ein Inhalt mit vielen Zugriffen und Kommentaren hat sich also sozial bewährt und wird deshalb als wertiger eingestuft. Das Feedback, das andere User geben, spielt in jedem sozialen Netzwerk eine Rolle, bei Webseiten jedoch meistens nicht.
Learning 3: Sei Transparent
Informiere deine Nutzer über Abrufzahlen deiner Inhalte und zeige wann diese zuletzt aktualisiert wurden.
Gib zusätzlich deinen Usern die Möglichkeit einfaches Feedback, wie einen “Like” dazulassen. Das hilft auch dir, zu erkennen welche Inhalt gut ankommen und welche nicht.

Echtes Nutzerfeedback sammeln
Fazit
In vielen Dingen kann TikTok Google nicht das Wasser reichen. Dafür liegt der Fokus zu sehr auf kurzen Videos, die innerhalb der App konsumiert werden. Außerdem hat TikTok ein deutliches Problem, was die Qualität der Inhalte angeht.
Zu viele Falschnachrichten und Clickbaiting machen TikTok eher zu einer Plattform, die für Entertainment steht und nicht für tiefgehende, qualitative Inhalte. Die Schnittmenge, in der TikTok Google tatsächlich Traffig wegnehmen kann ist also nicht alluzu groß. Qualitätsprobleme sind aber auch Google nicht fremd.
Am Ende stimmen die User aber mit ihrem Verhalten ab, wo sie ihre Zeit verbringen und ihre Recherchen durchführen.
Von dem was TikTok so erfolgreich macht scheint sich Google aber einiges abzuschauen und in Konzepten wie E-A-T oder dem Helpful Content Update zu realiesren.
Die Zeiten, in denen SEO-Erfolg in Zahlen (Keyword-Dichte, PageRank oder Textlänge) fassen konnte neigen sich endgültig dem Ende zu. Statt dessen rücken weniger greifbare Faktoren wie Authentizität und Glaubwürdigkeit in den Fokus.